
Volldigitales Lenken:
Das Steer-by-Wire System Space Drive 3 Add-On ebnet den Weg in eine autonome Zukunft
Die nächste Generation des „by-wire“-Fahr- und Lenksystems Space Drive – Space Drive 3 AddOn – markiert den Einstieg in die Serienfertigung und ist eine wichtige Schlüsseltechnologie für das autonome Fahren. Darüber hinaus fungiert die Technologie als eine wichtige Schnittstelle für den Datentransfer im Hinblick auf maximale aktive Sicherheit.

Per App ein Auto heranrufen, Ziel nennen und zur Arbeit chauffieren lassen. Das klingt immer noch wie Science-Fiction. Doch der Einsatz selbstfahrender Fahrzeuge könnte schon in wenigen Jahren Realität werden. Die neue Generation des digitalen Fahr- und Lenksystems Space Drive liefert dazu eine wichtige Schlüsseltechnologie, um die Signale der Sensorik bzw. der Fahrautomation per elektronischem Signal – ohne mechanische Verbindung zur Aktorik – sicher auf die Straße zu übertragen. Gleichzeitig können wichtige Daten zu Fahrzeug- und Fahrbahnzuständen zurückgespielt werden. Eine wichtige Schnittstelle, wenn es darum geht, die Technologie für die Zukunft des autonomen Fahrens sicher und nachhaltig zu gestalten. Letztendlich wird der Fahrer beim autonomen Fahren durch den Rechner und die Sensoren ersetzt. Die Lenkung ist dabei ein weiterer aktiver Sensor, welcher das Fahrgefühl in Form von Daten übermittelt.
Impressionen
Die Grundlage für diese Entwicklung hat die PARAVAN GmbH mit Gründer und Geschäftsführer Roland Arnold gelegt, welche die Technologie – ursprünglich für die Fahrzeuganpassung im Bereich der Behindertenmobilität – entwickelt hat. Space Drive verfügt über eine Straßenzulassung nach ECE-R13 (Bremse) und ECE-R79 (Lenkung). Mittlerweile ist das System seit fast 20 Jahren im Einsatz, mit über 9.000 verbauten Systemen und über einer Milliarde auf öffentlichen Straßen gefahrenen Kilometern. Die Besonderheit: Im Bereich der Behindertenmobilität ist die Redundanz bzw. Ausfallsicherheit – fail operational – wichtigstes Entwicklungsziel. Rückfallebene ist in diesem Bereich schon immer das System und nicht der Mensch, denn im Ernstfall kann der gehandicapte Fahrer nicht eingreifen.
Steer-by-Wire-System Space Drive bereit für die Serie
Seit 2018 entwickelt das Joint Venture Schaeffler Paravan Technologie GmbH & Co KG die nächste Generation des innovativen Lenksystems und markiert damit den nächsten Schritt: Space Drive 3 AddOn steht für den Einstieg in die Serienfertigung. Dafür soll es den Standards und Normen der Automobilindustrie entsprechen und die Homologation von neu zu entwickelnden Fahrzeugen unterstützen. Das redundante System setzt auf ein durchgängiges Sicherheitskonzept für Fahrzeuge mit funktionaler Sicherheitsrelevanz, entwickelt nach dem ASPICE Prozess, und erfüllt die höchsten Anforderungen nach dem Sicherheitsstandard ISO 26262. Automobilhersteller profitieren von maximaler Skalierbarkeit bei gleichzeitig größtmöglichem Spielraum für modell- und fahrzeugspezifische Individualisierung. Ein wichtiger Meilenstein auf dem Weg zu Steer-by-Wire in der Großserie – sowohl für Straßenfahrzeuge als auch für People Mover oder für Fahrzeuglösungen zum Betrieb auf privaten Industrieanlagen, beispielsweise Häfen, Logistikzentren oder Flughäfen.
Das AUTOSAR-basierte System ermöglicht zudem eine direkte Anbindung an die Fahrzeugelektronik sowie Kommunikations- und Netzwerkarchitektur. Ein enormer Mehrwert mit Blick auf die Integration bereits existierender Fahrassistenzsysteme. Space Drive 3 AddOn ist für die Kleinserie konzipiert und stellt die Grundlage für die zukünftige integrierte Großserienlösung dar. Das Steuergerät und die Software bieten eine wichtige Plattform für die weitere Entwicklung.
Mechatronische Lösungen für mehr Komfort und Sicherheit
Ergänzt wird die Entwicklung durch einen Hand Wheel Actuator (HWA) mit Force Feedback Modul, der das klassische Lenkrad mit mechanischer Lenksäule durch mechatronische Aktorik ersetzt. Das erlaubt eine Optimierung des Bauraums und ermöglicht gänzlich neue Innenraumkonzepte – beispielsweise durch das Verstauen des Lenkrades in der Konsole, was insbesondere beim (teil)autonomen Fahren eine wichtige Rolle spielen wird. Zudem ermöglicht das System die Unterdrückung von unerwünschten Störungen, etwa starke Schläge von der Fahrbahn, sowie die Realisierung neuer Fahrdynamikfunktionen durch eine variable Lenkübersetzung. Das modulare und skalierbare Design erlaubt die Anpassung des Systems für verschiedene Fahrzeugklassen und Anwendungen. In Kombination mit dem Steer-by-Wire-System Space Drive von Schaeffler Paravan sowie mechatronischen Aktuatoren am Lenkgetriebe entwickelt Schaeffler eine intelligente Vorderachslenkung (iFWS).
Entwicklungsansatz From Track to Road
Der Rennsport gilt traditionell als Entwicklungsbeschleuniger. Diesen Ansatz machen sich die Ingenieure für die Weiterentwicklung von Space Drive zu Nutze – unter härtesten Bedingungen und in einem anspruchsvollen Umfeld, wie beispielsweise der DTM. Die hier eingesetzten Technologieträger kommen ganz ohne mechanische Verbindung zwischen Force Feedback Lenkeinheit und Lenkgetriebe aus. Seit 2019 ist das Space Drive System vom Deutschen Motor Sport Bund (DMSB) zugelassen, seit 2020 fest in den Reglements u.a. der DTM verankert. In diesem Umfeld werden die Schaeffler Paravan Technologieträger von verschiedensten Entwicklungsfahrern getestet, unter anderem von Markus Winkelhock, Bernd Schneider, Maximilian Götz oder Maximilian Buhk oder im Rallye-Bereich – wo die Belastungen noch einmal deutlich höher sind – von Rallyeeuropameister Armin Schwarz.
Neben DTM, ADAC GT 4 Germany, GTC Race oder im Bereich Rallye kamen die Technologieträger bereits 2020 (GT4) und 2021 (GT3) beim ADAC Total 24h Nürburgring zum Einsatz. Den Schaeffler Paravan Ingenieuren ist wichtig, dass die Entwicklung einen roten Faden hat. Deshalb wird neben den GT3 Technologieträgern auch mit den deutlichen seriennäheren GT4 Fahrzeugen sowie mit Straßenfahrzeugen getestet. Obwohl die sportlichen Erfolge nicht im Vordergrund stehen, sind sie doch ein wichtiger Indikator für die Zuverlässigkeit und die Belastbarkeit des Systems. Höhepunkt war 2021 die erste Podestplatzierung eines Space Drive Fahrzeuges bereits in der ersten DTM Saison beim Finale am Norisring.
Vor allem beim Einsatz im Motorsport ergeben sich viele neue, datengetriebene Entwicklungsansätze, was die Lenkungsparameter angeht. Es geht darum, Fahrbahnzustände aufzunehmen, zu analysieren und an das Advanced Driver Assistance System (ADAS) zurückzuspielen. Ein wichtiges und zentrales Feature der Datengenerierung liegt in der Erhöhung der Fahrsicherheit und Zuverlässigkeit zukünftiger autonomer Fahrsysteme. Die in der Force Feedback Lenkeinheit generierten Daten können dabei nicht nur den Lenkwinkel, sondern beispielsweise auch Informationen zum Zustand des Fahrbahnbelages (Grip-Niveau) an die Steuereinheit liefern.
Beim Einsatz von Space Drive geht es also nicht nur um die Entwicklung einer neuen Technologie: Es geht darum, mit 125 Jahren Automobilgeschichte zu brechen, denn die Lenkung der Zukunft ist digital!